Should I stay or should I go? Über den souveränen Umgang mit den Grenzen anderer.
Wann hat ein Trainer, eine Trainerin das Recht, oder sogar die Pflicht, einen Teilnehmenden aus einer Ausbildung auszuschließen, die auch noch vom Arbeitgeber bezahlt wird?
Folgende Situation:
Ein berufsbegleitender anspruchsvoller mehrmonatiger Ausbildungsgang wurde in einem Unternehmen des Öffentlichen Dienstes ausgeschrieben und die sich Bewerbenden für geeignet vom Arbeitgeber eingeschätzt und an den Start gebracht.
Bereits nach relativ kurzer Zeit kristallisierte sich heraus, dass ein Teilnehmender vermeintlich dem intellektuellen als auch kommunikativen notwendigen Voraussetzungen nicht gewachsen sein könnte. Das beginnt bei einem wahrgenommenen Unvermögen, das eigene Verhalten oder das Anderer aus dem Arbeitsalltag zu reflektieren und endet bei dem konkret erlebten Versagen, vermittelte Ausbildungsinhalte einer Seminareinheit widerzugeben. Dies bleibt weder den anderen Ausbildungsteilnehmenden noch z.B. den Gastdozenten verborgen.
Der Teilnehmende selbst lässt keine Zweifel an seiner weiterhin geplanten Teilnahme aufkommen und stellt das Trainerteam somit vor eine knifflige Frage: Wann muss hier mit wem gehandelt werden?
Meine Empfehlungen lauten hier: als erstes muss der betroffene Teilnehmende die Chance bekommen, in einem Gespräch mit der Trainerin die gemachten Beobachtungen und Erlebnisse gespiegelt zu bekommen. Dabei muss abgesichert werden, dass nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird. Erst wenn dieser gemeinsame Blick auf die Situation die gleiche ist, kann man zielführend über Lösungen sprechen. Und auch wenn diese Frage weh tun wird, muss sie gestellt werden: „Was hast Du gerade verstanden, was ich Dir mitgeteilt habe?“ Und es braucht Geduld und eventuelle neue Formulierungen oder Beispiele, um die Botschaft zu platzieren. Ich bin mir sicher, dass genau in dem Moment die realistisch vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen bei dem Teilnehmenden für beide Gesprächspartner sichtbar werden. Und genau darüber kann man dann reden und entscheiden, wie es weitergeht.
Über den Kopf des Teilnehmenden mit dem Arbeitgeber zu sprechen über die vermutete Überforderung mit dem Ausbildungsprogramm halte ich für ein Bypass Verfahren, das keine Sieger haben wird.
Was machen wir mit dem möglichen Ergebnis aus dem Gespräch -Teilnehmender und Trainerin? Da gibt es der Möglichkeiten viele.
1. Man einigt sich, dass es weitergeht, aber mit besonderer Berücksichtigung bei Tempo und Tiefe. Dass Aufgaben erledigt werden und Hausaufgaben Ehrensache sind.
2. Man einigt sich, dass es nicht weitergeht und es vielleicht sogar als Befreiung empfunden wird für beide Seiten. Dann kann man die Unterstützung bei dem Gespräch mit dem Arbeitgeber anbieten, vielleicht gibt es ja hier auch Learnings für den Personalbereich.
3. Und dann gibt es da noch die Möglichkeit, dass man unterschiedlicher Meinung zur Fortsetzung der Ausbildung ist. Bei diesem Konflikt muss man die gesamte Situation der Ausbildungsgruppe hinzuziehen, was hilft und was schadet hier wem? Und sich die Erlaubnis vom Teilnehmenden einholen, den Arbeitgeber aktiv in der Entscheidungsfindung mit einzubinden.
Schlussendlich haben wir eine Konfliktsituation, die gelöst werden muss, das ist vor allem respektvoll im Umgang mit dem gefährdeten Teilnehmenden. Denn bisher wurde über ihn geredet, nicht mit ihm.